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Bruder

    Du sollst in deinem Herzen keinen Hass gegen deinen Bruder tragen.
    Lev 19,17

    Denn das ist die Botschaft, die ihr von Anfang an gehört habt: Wir sollen einander lieben und nicht wie Kain handeln, der von dem Bösen stammte und seinen Bruder erschlug. … Jeder, der seinen Bruder hasst, ist ein Menschenmörder und ihr wisst: Kein Menschenmörder hat ewiges Leben, das in ihm bleibt.
    1 Joh 3,11.12a.15

    In der Bibel ist der Bruder zunächst nicht nur der männliche Verwandte, sondern auch der Volksgenosse. In der Geschichte des Volkes Israel wird die Zusammengehörigkeit, die Bruderschaft, später von Abraham her begründet: „Unser Vater ist Abraham!“ (Joh 8,39) Der Bruder wird auch zum Glaubensbruder. Und während im Alten Bund die Bruderschaft begrenzt ist auf das eine, auserwählte Volk, findet sich im Neuen Testament der Gedanke an eine universale Bruderschaft, die in der Wiedergeburt in Taufe und Firmung ihren Ursprung hat. Die Blutsbande werden unwichtig, treten in den Hintergrund, die wahren Söhne Abrahams sind die, die an Jesus Christus, den Messias, glauben. „Erkennt also: Die aus dem Glauben leben, sind Söhne Abrahams. Und da die Schrift vorsah, dass Gott die Völker aufgrund des Glaubens gerecht macht, hat sie dem Abraham im Voraus verkündet: In dir sollen alle Völker gesegnet werden.“ (Gal 3,7f.) Auch Christus selbst hat durchaus familienfeindliche Tendenzen. Als seine Familie ihn für verrückt hält und mit Gewalt nach Hause holen will und seine Mutter und seine Cousins und Cousinen vor dem Haus auf ihn warten, sagt er: „Wer ist meine Mutter und wer sind meine Brüder? Und er blickte auf die Menschen, die im Kreis um ihn herumsaßen, und sagte: Das hier sind meine Mutter und meine Brüder. Wer den Willen Gottes tut, der ist für mich Bruder und Schwester und Mutter.“ (Mk 3,33ff) Das ist das Kennzeichen, das Kriterium der neuen und wahren Brüder und Schwestern des Herrn, dass sie wie Jesus selbst unbedingt den Willen Gottes tun wollen, ihn als Richtschnur des Lebens anerkennen und täglich darum ringen, ihn zu erfüllen. So ist Christus selbst die Ursache und das Ziel der christlichen Bruderschaft. Man kann sie an einem Merkmal erkennen: der Liebe. „Der Wahrheit gehorsam, habt ihr euer Herz rein gemacht für eine aufrichtige geschwisterliche Liebe; darum hört nicht auf, einander von Herzen zu lieben. Ihr seid neu gezeugt worden, nicht aus vergänglichem, sondern aus unvergänglichem Samen: aus Gottes Wort, das lebt und das bleibt.“ (1 Petr 1,22f.) Die Liebe gebietet uns auch: „Wir müssen als die Starken die Schwäche derer tragen, die schwach sind, und dürfen nicht für uns selbst leben.“ (Röm 15,1) – Doch bei aller Liebe müssen wir uns vor den „falschen Brüdern“ (Gal 2,4) hüten, die nicht aus der Wahrheit des Evangeliums leben. Die universale Bruderschaft ist immer auch konkret und praktisch verwirklicht und bereits in der Urkirche wurde schließlich ausgeschlossen, wer nur dem Namen nach als Bruder lebte (1 Kor 5,11) und der Gemeinschaft schadete. – Ein alter Witz erzählt: Zwei Buben prügeln sich auf offener Straße. Da kommt der Pfarrer vorbei und sagt tadelnd: „Schämt euch! Kennt ihr nicht den Satz: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst?“ – „Das ist ja nicht mein Nächster“, erwidert einer der Buben, „das ist mein Bruder!“ – Diese Anekdote weist auf einen kleinen, aber feinen Unterschied hin. Wer ist mein Nächster? Natürlich meine Brüder und Schwestern im Glauben – aber nicht nur! Wie Jesus in der Geschichte vom barmherzigen Samariter gezeigt hat, ist der Nächste jeder, der da ist, der hilft und beisteht. Die Liebe zu Bruder und Schwester aber, mit denen wir durch Taufe und Firmung verbunden sind, ist eine besondere, privilegierte Form der Liebe: „Deshalb laßt uns, solange wir Zeit haben, allen Menschen Gutes tun, besonders aber den Glaubensgenossen!“ (Gal 6,10)