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Gebt ihr ihnen zu essen

    Jesus aber antwortete: Sie brauchen nicht wegzugehen. Gebt ihr ihnen zu essen! Sie sagten zu ihm: Wir haben nur fünf Brote und zwei Fische hier.
    Mt 14,1617

    Als Christen leben und handeln wir in dreifacher Weise: Aus unserem Herzen – als Mitarbeiter Gottes – als von Gott Beschenkte und Empfangende. In der biblischen Erzählung von der wunderbaren Brotvermehrung scheinen diese verschiedenen Dimensionen unseres gläubigen Lebens auf. „Gebt ihr ihnen zu essen!“ lautet der Auftrag der Apostel, der unmöglich mit fünf Broten und zwei Fischen, der Wegzehrung eines Knaben, der sie großherzig zur Verfügung stellt, erfüllt werden kann. Hier – so eine moderne Auslegung – geschieht bereits das eigentliche Wunder, vorgebildet in der selbstlosen Güte des kleinen Jungen. Sein Beispiel macht Schule – und wenn jeder so handelt, wenn jeder seine Brote und Fische herausrückt und bereit ist zum Teilen, wenn jeder gibt, was er hat, dann werden alle satt. Eine erste Lösung des Problems, die uns sofort eingängig ist, weil sie so praktisch ist. Wir setzen sie jeden Tag um, wenn wir an die Güte und Spendenbereitschaft der Menschen appellieren, um Hilfsprojekte umsetzen zu können. Ein Herz, das von Gott angerührt ist, wird sich der Not des Nächsten nicht verschließen. In dem kleinen Jungen des Evangeliums sehen wir einen christlichen Prototyp unseres eigenen Handelns. Diese Auslegung geht aber am eigentlichen Zielpunkt des Evangeliums vorbei. Eine solche Erklärung fängt nicht das eigentlich Wunderbare ein und lässt das, was Jesus tut, außen vor. Damit Jesus aber sein Wunder wirken kann, braucht er die Hilfe und das Mittun des Menschen. Die fünf Brote und zwei Fische des Jungen werden erst dann verteilt, nachdem sie durch die Hände des Herrn und durch sein Gebet gegangen sind. Das ist ein zweiter, wichtiger Aspekt: Das Wunder findet nicht in der Weise statt, dass Gott Brot und Fisch vom Himmel regnen lässt, wie das Manna in der Wüste. Auf diese Weise wird uns das Heil nicht geschenkt. Nicht als Überwältigung, die aus dem Nichts kommt. Nicht als gebratene Taube, die dem faul Daliegenden in den Mund fliegt. Das Reich Gottes ist kein Schlaraffenland. Gott schenkt uns das Heil, wenn wir seine Mitarbeiter werden. Wenn wir uns Mühe geben. Wenn wir mitmachen. Gott will unser Engagement, unseren Einsatz; er will das, was wir geben können – und sei es auch noch so wenig, sei es auch noch so armselig – um damit zu arbeiten. Als Christen sind wir berufen, täglich unseren kleinen Einsatz dem Herrn zu Verfügung zu stellen: Er wird etwas Großartiges daraus erschaffen. Und schließlich ereignet sich das eigentliche Wunder. Wenn Christus die Brote und Fische verteilt, dann werden alle satt. Letztlich ist es doch Gott, der handelt und das Entscheidende tut. Aus der Liebe Gottes, aus seiner Güte und Fürsorge, aus seinem geöffneten Herzen, aus dem Gebet des Herrn, das vollkommene Anbetung des Vaters ist, dürfen wir alle Gaben entgegennehmen. Mit ihm dürfen wir um alles bitten. Zugleich dürfen wir dieses Wunder auch als Hinweis auf das wahre Brot des Lebens verstehen, das uns täglich geschenkt wird in der Feier der Eucharistie: „Einer kommt, und tausend kommen, doch so viele ihn genommen, er bleibt immer, der er war.“ beten wir in der Fronleichnamssequenz. Letztlich ist es doch Gott, der zuerst an uns handelt, der uns zuerst beschenkt, der sich selber gibt. Und wenn wir dieses Geschenk Gottes empfangen, wenn wir ihn machen lassen, wenn er uns berühren und verwandeln darf, dann werden wir in die Lage versetzt, als seine Mitarbeiter zu wirken, unseren kleinen Beitrag zu geben und auch unser Herz dem Nächsten zu öffnen.