Wenn Du Almosen gibst, laß es also nicht vor dir herposaunen, wie es die Heuchler in den Synagogen und auf den Gassen tun, um von den Leuten gelobt zu werden. Amen, das sage ich euch: Sie haben ihren Lohn bereits erhalten. Wenn du Almosen gibst, soll deine linke Hand nicht wissen, was deine rechte tut. Dein Almosen soll verborgen bleiben, und dein Vater, der auch das Verborgene sieht, wird es dir vergelten.
Mt 6,24
Gut ist nun Almosen als Buße für die Sünde; Fasten ist besser als Gebet, mehr als beides ist das Almosen; denn die Liebe deckt eine Menge Sünden zu, das aus gutem Gewissen kommende Gebet errettet von dem Tode. Glückselig jeder, der in diesen Tugenden vollkommen erfunden wird; das Almosen nämlich macht die Sünde leichter.
Zweiter Brief des Clemens an die Korinther 16,4
Armen Almosen geben ist ein Zeugnis der brüderlichen Liebe und ein Gott wohlgefälliges Werk der Gerechtigkeit.
KKK 2462
Das etwas altväterlich klingende Wort „Almosen“ stammt aus dem Griechischen: ἐλεημοσύνη (eleēmosynē) heißt Wohltat, das Wort ἐλεος (eleos) steckt darin, es bedeutet Mitleid, Erbarmen, Barmherzigkeit. Im deutschen Sprachgebrauch wird „Almosen“ heute abwertend verwendet: niemand ist gerne auf Almosen angewiesen, auf eine kleine, kärgliche Gabe. Und wenn jemand für ein Almosen arbeiten muss, dann ist das ziemlich ungerecht, dann hat er eigentlich mehr verdient.
Diese abwertende Verwendung wird aber dem Almosen nicht gerecht. Ein Almosen – lehrt der heilige Thomas – ist ein Werk, das die Not des Nächsten aus Mitleid um Gottes Willen lindert. (2,2,q.32,a.1) Die Not des Nächsten lindern – das ist die erste christliche Pflicht, nicht zuletzt deshalb, weil wir in jedem Nächsten Christus dienen: „Denn ich war hungrig, und ihr habt mir zu essen gegeben; ich war durstig, und ihr habt mir zu trinken gegeben; ich war fremd und obdachlos, und ihr habt mich aufgenommen.“ (Mt 25,35) Doch nicht nur die Offenbarung, auch das Naturrecht fordert uns auf, unser Eigentum so zu gebrauchen, daß aus dem Überfluss unseres Besitzes diejenigen unterstützt werden, die bedürftig sind.
In der Antike war das ein ganz neuer Gedanke. Der römische Komödiendichter Plautus gibt die vorherrschende Meinung der Zeit wieder, wenn er in einem seiner Stücke den zynischen Rat gibt: „Schlecht macht sich um den Armen verdient, wer ihm Speise oder Trank reicht; denn er verliert, was er gibt, und verlängert dem Armen doch nur ein elendes Leben.“ – Vor diesem Hintergrund wird die Verpflichtung zum Almosengeben zu einem unerhört neuen Gedanken. Wir finden sie bereits im Alten Bund: „Allen, die gerecht handeln, hilf aus Barmherzigkeit mit dem, was du hast. Sei nicht kleinlich, wenn du Gutes tust. Wende deinen Blick niemals ab, wenn du einen Armen siehst, dann wird auch Gott seinen Blick nicht von dir abwenden. Hast du viel, so gib reichlich von dem was du besitzt; hast du wenig, dann zögere nicht, auch mit dem Wenigen Gutes zu tun. Auf diese Weise wirst du dir einen kostbaren Schatz für die Zeit der Not sammeln. Denn Gutes tun rettet vor dem Tod und bewahrt vor dem Weg in die Finsternis.“ (Tob 4,710) Hier wird auch die Frage nach dem rechten Maß angesprochen: wie groß soll die Gabe sein? In der Moraltheologie hat man den schönen Merksatz geprägt: Justa sit et prudens, veloxque secreta libensque / Ordine procedens, omnibus auxilians. Und das bedeutet: Unser Almosen soll gerecht sein. Ich soll geben, was ich geben kann, aus den Gütern, über die ich auch verfügen kann. Niemand muß sich verschulden, um anderen zu helfen. Dann soll mein Almosen klug eingesetzt werden – ist meine Hilfe sinnvoll und nachhaltig? Wenn ich gebe, so soll ich schnell geben: „Wenn du jetzt etwas hast, sag nicht zu deinem Nächsten: Geh, komm wieder, morgen will ich dir etwas geben.“ (Spr 3,28) Ich mache keine großes Trara und gebe im Verborgenen und mit Freudigkeit und bitteschön nicht mit zusammengebissenen Zähnen. Dann soll ich in der rechten Ordnung geben (Wo ist die Not am größten? Wer leidet Not? Wo wird meine Hilfe dringend gebraucht?) – und schließlich soll ich niemanden ausschließen: auch denen, die meine Hilfe gar nicht verdient haben; denen, die ich nicht besonders mag und sogar meinem Feind soll ich helfen. Auf diese Weise wird mein Almosen eine Gabe, die Ausdruck meiner Gottes und Nächstenliebe ist. Und schließlich: Das letzte Hemd hat keine Taschen! Ich kann nur mitnehmen, was ich jetzt und hier verschenke.