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Ebenbild

    Dann sprach Gott: Laßt uns Menschen machen als unser Abbild, uns ähnlich. Sie sollen herrschen über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels, über das Vieh, über die ganze Erde und über alle Kriechtiere auf dem Land. Gott schuf also den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie.
    Gen 1,26f.

    Dankt dem Vater mit Freude! Er hat euch fähig gemacht, Anteil zu haben am Los der Heiligen, die im Licht sind. Er hat uns der Macht der Finsternis entrissen und aufgenommen in das Reich seines geliebten Sohnes. Durch ihn haben wir die Erlösung, die Vergebung der Sünden. Er ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene der ganzen Schöpfung.
    Kol 1,12ff.

    Das erste, was die Bibel vom Menschen aussagt, ist seine Gottesebenbildlichkeit: Der Mensch ist als Abbild oder Ebenbild Gottes geschaffen worden. Aus diesem Grund ist er die Krone der Schöpfung, hier wurzelt seine Würde und die Heiligkeit des Lebens. Weil der Mensch das Bild Gottes in dieser Welt repräsentiert, darf er vom Mitmenschen nicht verzweckt und mißbraucht werden, ist er als Person in seiner Würde unantastbar.
    Mit der Gottesebenbildlichkeit ist der Auftrag des Menschen verbunden: Er soll über die ganze Erde herrschen. Heute verbinden wir damit negative Assoziationen: „Herrschaft“ bedeutet Ausbeutung, Unterdrückung, Mißbrauch und Zerstörung. Doch diese Perspektive, die den Mißbrauch der Herrschaft beschreibt, ergibt sich erst aus dem Sündenfall, der die gute Schöpfung korrumpiert. Vom Ursprung her bedeutet Herrschaft die Teilhabe am Tun Gottes. Denn er ist der eigentliche Herr über die Welt, er gestaltet und definiert sie, gibt den geschaffenen Dingen einen Namen und er möchte, daß der Mensch an seinem guten schöpferischen Tun mitwirkt. In der Antike richteten die irdischen Könige als Zeichen ihrer Herrschaft ihre Bildnisse in den von ihnen unterworfenen Ländern auf. So ist es die Aufgabe und Berufung des Menschen, Zeichen und Sinnbild der Gottesherrschaft in der Welt zu sein, einer Herrschaft, die nicht unterdrückt und zerstört, sondern lebensfördernd und segensreich ist.
    In der Weisheitsliteratur erfährt der Begriff der Ebenbildlichkeit eine weitere Entwicklung: „Gott hat den Menschen zur Unvergänglichkeit geschaffen und ihn zum Bild seines eigenen Wesens gemacht. Doch durch den Neid des Teufels kam der Tod in die Welt, und ihn erfahren alle, die ihm angehören.“ (Weish 2,23f.) – Die Gottesebenbildlichkeit des Menschen ist durch die Sünde versehrt, ursprünglich war die Unsterblichkeit eine ihrer Folgen. Dafür aber ist die Weisheit selbst als Personifikation Gottes „der Widerschein des ewigen Lichtes, der ungetrübte Spiegel von Gottes Kraft, das Bild seiner Vollkommenheit.“ (7,26) Der Alte Bund erfüllt und vollendet sich im Neuen Bund. Die im Weisheisbuch angedeutete Entwicklung schreitet voran: Der heilige Paulus nennt Jesus Christus „das Ebenbild des unsichtbaren Gottes“ – in ihm, dem menschgewordenen Gott, erkennen wir den liebenden Vater: „Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen!“ (Joh 14,9) So ist Christus das wahre Ebenbild des himmlischen Vaters – und damit Maßstab auch für uns, die wir nach dem Abbild Gottes geschaffen worden sind. Wir wissen nun, wie wir diese Gottesebenbildlichkeit realisieren sollen: indem wir Christus, dem wahren Ebenbild des unsichtbaren Gottes, ähnlich werden. Diese Christus-Ähnlichkeit können wir aber nicht aus eigener Kraft herstellen, sie ist kein Produkt unserer frommen Leistung, sie ist Geschenk: Beginnend mit unserer Taufe handelt Gott an uns, berührt und verwandelt uns, damit wir „an Wesen und Gestalt seines Sohnes teilhaben“ (Röm 8,28), damit wir ihm, dem wahren Ebenbild Gottes, ähnlich werden und als seine Brüder und Schwestern, ihm verwandt, gemeinsam den Vater im Himmel preisen dürfen.