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Ianua Coeli

    Ave, maris stella, Dei mater alma atque semper virgo, felix caeli porta.
    Sei gegrüßt, du Stern des Meeres, erhabene Mutter Gottes und immerwährende Jungfrau, selige Pforte zum Himmel!
    Ambrosius Autpertus (+ 784), Gotteslob Nr. 520

    Der erste Monat des Jahres ist nach einem der alten römischen Götter benannt, dem Gott Janus. Janus war der Gott des Anfangs und Endes. Er wurde deshalb mit einem Doppelkopf dargestellt und schaut nach vorne wie nach hinten, in die Zukunft wie in die Vergangenheit. Man rief ihn an, wenn man eine Reise begann oder auch wenn man unter einer Tür hindurchging. Sein Tempel war ein großer Torbogen, dessen Türen geöffnet warten, wenn das Imperium Krieg führte. Herrschte Frieden im ganzen römischen Reich, wurden die großen Tore geschlossen. Das Wort Ianua bedeutet die Tür, die Pforte. Und so bildet noch heute der Monat Januar die Türe und Pforte zum Neuen Jahr. Allerdings hat der alte heidnische Gott Janus längst ausgedient. An seine Stelle tritt am Beginn des neuen Jahres die Gottesmutter Maria, deren Fest wir am 1. Januar gefeiert haben. In der Lauretanischen Litanei rufen wir sie als „Ianua coeli“, als „Pforte des Himmels“ an. An ihrer Hand sind wir in das neue Jahr geschritten und sie bitten wir um ihre mächtige Fürsprache, daß die Pforten des Krieges und Terrors, der Flucht und Verteibung, der Ungerechtigkeit und des Hungers geschlossen werden und der Friede, der Christus selber ist, sich ausbreite auf der ganzen Welt. Schauen wir auf Maria: Mit der Geburt ihres Sohnes steht sie vor einem neuen Abschnitt ihres Lebens. Noch liegt die Zukunft ungewiß vor ihr, noch weiß sie nicht, was die kommenden Tage, Monate und Jahre ihr bringen werden und dem Kind, das auf so wunderbare Weise geboren wurde. Sicher weiß und ahnt sie aber, daß ihr nicht nur glückliche und unbeschwerte Tage bevorstehen, sondern daß auch das Kreuz auf sie wartet. Sicher weiß und ahnt sie, daß sie das Ja, das sie zu dem Engel gesprochen hat, immer wieder wird erneuern müssen, das Ja zum Willen Gottes, das Ja, das manchmal so schwerfällt, weil es uns in dunkle und schwere Stunden hineinführt. Und an ihrer Hand, von ihr begleitet und unter ihrem Schutzmantel geborgen soll das unser guter Vorsatz für das neue Jahr sein: Dass auch wir unser Ja immer wieder erneuern, dass auch wir versuchen, den Willen Gottes für uns über unseren eigenen Willen zu stellen, auch wenn sein Wille für uns manchmal unbegreiflich, dunkel, traurig und schwer ist; dass wir Ja sagen, auch wenn sein Wille uns in die Kreuzesstunden hineinführt. An der Hand Mariens aber können wir dieses Ja sprechen – und in der Gewißheit, dass sein Wille letzten Endes alles zum Guten führen wird. Das neue Jahr liegt vor uns. Es wartet auf unser Ja. Wir dürfen es von neuem sprechen, von neuem beginnen. In seinem berühmten Buch: „Von der Nachfolge Christi“ schreibt Thomas von Kempen: „Semper incipe“ – Fange immer wieder an. Gott schenkt uns immer wieder einen neuen Anfang. Nicht nur zum Beginn eines neuen Jahres. Jeden Tag, jede Stunde haben wir die Möglichkeit, neu anzufangen. Und das ist eine große Gnade, die wir oft nicht recht bedenken und erfassen. Wir leiden doch oft darunter, daß wir die Zeit nicht zurückdrehen können, manche Dinge nicht ungeschehen machen können, manche Dinge nicht ungesagt machen können. Bei Gott aber ist ein neuer Anfang möglich. Ein Wort der heiligen Edith Stein ist für die Betrachtung am Abend geschrieben. Es soll auch am Anfang eines jeden neuen Jahres stehen: „Und wenn die Nacht kommt und der Rückblick zeigt, daß alles Stückwerk war und vieles ungetan geblieben ist, wenn so manches tiefe Beschämung und Reue weckt: dann alles nehmen, wie es ist, in Gottes Hände legen und ihm überlassen. So wird man in ihm ruhen können, wirklich ruhen und den neuen Tag wie ein neues Leben beginnen.“ Maria, du Pforte des Himmels – bitte für uns!