Wollt ihr euch Gott anbieten, um alle Leiden zu ertragen, die Er euch schicken wird, zur Sühne für alle Sünden, durch die Er beleidigt wird und als Bitte um die Bekehrung der Sünder?
Unsere Liebe Frau von Fatima, 1. Erscheinung am 13. Mai 1917
Ihr habt die Hölle gesehen, wohin die Seelen der armen Sünder kommen. Um sie zu retten, will Gott in der Welt die Andacht zu meinem Unbefleckten Herzen begründen. Wenn man tut, was ich euch sage, werden viele Seelen gerettet werden, und es wird Friede sein.
2. Teil des Geheimnisses von Fatima, offenbart bei der 3. Erscheinung Unserer Lieben Frau am 13. Juli
Wie kann es sein, dass Gott bestimmte Menschen in besonderer Weise in Anspruch nimmt, indem er ihnen Leiden „aufbürdet“ als Sühneleistung für die Sünden, durch die er geschmäht bzw. beleidigt wird sowie als flehentliche Bitte um die Bekehrung der Sünder? Das ist für mich eine unverständliche, ja unglaubliche Seite Gottes! Braucht Gott unser Leid, um seine eigene, durch Menschen verursachte Beleidigung zu kompensieren? – Diese Frage erreichte mich vor einiger Zeit und sie trifft tatsächlich den Kern der Botschaft von Fatima, die in diesem Jubiläumsjahr besonders ins Zentrum unserer Aufmerksamkeit rückt. „Sühne“ kennen wir aus verschiedenen Religionen: die Sünde zerstört das Verhältnis zwischen Gott oder den Göttern und dem Menschen, durch Sühne – sühnende Handlungen des Menschen – wird das Verhältnis wieder hergestellt. Im Christentum ist Gott selbst das Subjekt der Sühne, d.h.: er selbst stellt das durch die Sünde des Menschen gestörte Verhältnis wieder her, indem er aus Liebe und Erbarmen den Menschen gerecht macht; seine Gerechtigkeit ist zugleich Gnade: „Ihn [Jesus Christus] hat Gott aufgerichtet als Sühnemal – wirksam durch Glauben – in seinem Blut, zum Erweis seiner Gerechtigkeit durch die Vergebung der Sünden, die früher, in der Zeit der Geduld Gottes, begangen wurden; ja zum Erweis seiner Gerechtigkeit in der gegenwärtigen Zeit, um zu zeigen: Er selbst ist gerecht und macht den gerecht, der aus Glauben an Jesus lebt.“ (Röm 3,25f.) Im Kreuz Christi erkennen wir eine Bewegung von oben nach unten: Gottes Liebe erniedrigt sich bis zum Letzten, um uns Menschen zu retten; als Christen sind wir wesentlich Beschenkte. Wir erkennen aber auch eine Bewegung von unten nach oben: Christus ist der Stellverteter der Menschheit vor dem Vater: durch ihn und mit ihm und in ihm, durch sein Pascha, geschieht der Exodus der ganzen Menschheit durch den Tod hin zu Gott. Wenn also in Fatima Sühne verlangt wird, dann kann diese „Sühneleistung“ nur aus unserer Verbindung mit Christus verstanden werden: wir sind mit Christus verbunden – wir stehen in seiner Nachfolge – sein Weg soll unser Weg sein: die Passion gehört zum christlichen Dasein mit dazu. In Fatima ist der Gedanke der Sühne verbunden mit der Andacht zum Unbefleckten Herzen Mariens. Gerade weil Maria ganz und gar von Christus erfüllt ist, weil in ihrem Herzen Christus herrscht, werden wir – wenn wir uns durch diese Andacht mit ihrem Herzen verbinden – Christus finden, der mit seiner Liebe auch in unser Herz einziehen kann. Am 7. Juni 1981 läßt der vom Attentat genesende Papst Johannes Paul II. in der Basilika Santa Maria Maggiore einen von ihm selbst verfaßten „Vertrauensakt“ verlesen, der deutlich macht, wie wir heute Sühne leisten können: „Vor dir, o Mutter Christi, vor deinem Unbefleckten Herzen, möchten wir uns heute zusammen mit der ganzen Kirche mit jener Weihe vereinen, durch die dein Sohn aus Liebe zu uns sich selber dem Vater geweiht hat, indem er sprach: «Ich heilige mich für sie, damit auch sie in der Wahrheit geheiligt sind.» (Joh 17,19) Wir wollen uns in dieser Weihe für die Welt und für die Menschen mit unserem Erlöser verbinden; in seinem göttlichen Herzen findet eine solche Weihe die Kraft, Verzeihung zu erlangen und Sühne zu leisten“.