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Allgemein

Gestaltet nach dem Bild des Himmlischen

    Adam, der erste Mensch, wurde ein irdisches Lebewesen. Der letzte Adam wurde lebendig machender Geist. …Der erste Mensch stammt von der Erde und ist Erde; der zweite Mensch stammt vom Himmel. Wie der von der Erde irdisch war, so sind es auch seine Nachfahren. Und wie der vom Himmel himmlisch ist, so sind es auch seine Nachfahren. Wie wir nach dem Bild des Irdischen gestaltet wurden, so werden wir auch nach dem Bild des Himmlischen gestaltet werden.
    1 Kor 15, 45ff.

    Der berühmte Schauspieler und Politiker Arnold Schwarzenegger begann seine Karriere als Bodybuilder. Die Formung des eigenen Körpers, das Wachstum und die Definition der Muskeln werden dabei durch hartes Training und eine besondere Ernährung erreicht. Auch wer diesen Sport nicht betreibt, legt doch in der Regel Wert darauf, seinen Körper in Form zu halten und sich durch die bewußte Auswahl von z. B. modischer Kleidung und schöner Frisur in der Öffentlichkeit zu präsentieren – unser Auftreten ist Ausdruck unserer Persönlichkeit. Darauf bezieht sich auch der hl. Paulus im 1. Korintherbrief, wenn er beschreibt, dass unsere christliche Persönlichkeit von zwei verschiedenen Bildern gestaltet wird: vom ersten und vom letzten Adam. Der erste Adam verlor im Paradies die Freundschaft Gottes, weil er nicht länger Geschöpf sein und ohne und gegen Gott – aus eigener Macht und Kraft heraus – leben wollte. Aus der Gemeinschaft mit Gott herausgefallen, wurde das Leben schmervoll und mühsam, es kamen Krankheit und Tod und das ewige Getrenntsein von Gott. Und in diesen Zusammenhang, den wir die Erbsünde nennen, wird jeder Mensch hineingeboren. Wir alle wissen, dass es oft schwer ist, das Gute zu tun, während es uns erstaunlich leichtfällt, das Böse zu tun. Eine Erfahrung, die Paulus im Römerbrief mit den Worten beschreibt: „Denn ich tue nicht das Gute, das ich will, sondern das Böse, das ich nicht will, das vollbringe ich.“ (7,19). Unser Leben, unser Leib, unsere Person wird so vom ersten Adam geprägt. Doch dabei hat Gott es nicht bewenden lassen. Das göttliche Wort wurde Fleisch, damit durch Jesus Christus, den Mittler und letzte Adam, wieder die volle Gemeinschaft zwischen Mensch und Gott in Zeit und Ewigkeit möglich wird. Christus berührt uns, er gestaltet unser Leben neu: nach dem Bild des Himmlischen. Das geschieht vor allem in der Taufe und Firmung, in der Eucharistie und Beichte, in allen Sakramenten und immer dann, wenn wir Christus begegnen. Wir sind eine neue Schöpfung, Schwestern und Brüder Jesu Christi, Kinder unseres guten Vaters im Himmel. Und diese neue Verwandtschaft muss sich auch in unserem Leben ausprägen: Wie der Bodybuilder einzelne Muskeln stählt und definiert, so müssen wir die verschiedenen Bereiche unseres Lebens prägen und definieren, damit unsere Christusverwandtschaft, unsere Jesus-Ähnlichkeit sichtbar wird und der himmlische Vater uns als seine Kinder erkennen kann. Wir brauchen ein tägliches Trainingsprogramm, damit wir als Getaufte und Gefirmte in Form bleiben. Und dieses Programm liefert uns der Herr immer wieder im Evangelium: „Euch aber, die ihr zuhört, sage ich: Liebt eure Feinde; tut denen Gutes, die euch hassen! Segnet die, die euch verfluchen; betet für die, die euch beschimpfen! Dem, der dich auf die eine Wange schlägt, halt auch die andere hin und dem, der dir den Mantel wegnimmt, lass auch das Hemd! Gib jedem, der dich bittet; und wenn dir jemand das Deine wegnimmt, verlang es nicht zurück! … Doch ihr sollt eure Feinde lieben und Gutes tun und leihen, wo ihr nichts zurückerhoffen könnt. Dann wird euer Lohn groß sein und ihr werdet Söhne des Höchsten sein; denn auch er ist gütig gegen die Undankbaren und Bösen. Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist!“ (Lk 6,27ff.) Folgen wir täglich diesem Programm, dann werden wir zwar keine Karriere als Schauspieler oder Politiker machen, aber garantiert den Weg in den Himmel finden.

    Gebt ihr ihnen zu essen

      Jesus aber antwortete: Sie brauchen nicht wegzugehen. Gebt ihr ihnen zu essen! Sie sagten zu ihm: Wir haben nur fünf Brote und zwei Fische hier.
      Mt 14,1617

      Als Christen leben und handeln wir in dreifacher Weise: Aus unserem Herzen – als Mitarbeiter Gottes – als von Gott Beschenkte und Empfangende. In der biblischen Erzählung von der wunderbaren Brotvermehrung scheinen diese verschiedenen Dimensionen unseres gläubigen Lebens auf. „Gebt ihr ihnen zu essen!“ lautet der Auftrag der Apostel, der unmöglich mit fünf Broten und zwei Fischen, der Wegzehrung eines Knaben, der sie großherzig zur Verfügung stellt, erfüllt werden kann. Hier – so eine moderne Auslegung – geschieht bereits das eigentliche Wunder, vorgebildet in der selbstlosen Güte des kleinen Jungen. Sein Beispiel macht Schule – und wenn jeder so handelt, wenn jeder seine Brote und Fische herausrückt und bereit ist zum Teilen, wenn jeder gibt, was er hat, dann werden alle satt. Eine erste Lösung des Problems, die uns sofort eingängig ist, weil sie so praktisch ist. Wir setzen sie jeden Tag um, wenn wir an die Güte und Spendenbereitschaft der Menschen appellieren, um Hilfsprojekte umsetzen zu können. Ein Herz, das von Gott angerührt ist, wird sich der Not des Nächsten nicht verschließen. In dem kleinen Jungen des Evangeliums sehen wir einen christlichen Prototyp unseres eigenen Handelns. Diese Auslegung geht aber am eigentlichen Zielpunkt des Evangeliums vorbei. Eine solche Erklärung fängt nicht das eigentlich Wunderbare ein und lässt das, was Jesus tut, außen vor. Damit Jesus aber sein Wunder wirken kann, braucht er die Hilfe und das Mittun des Menschen. Die fünf Brote und zwei Fische des Jungen werden erst dann verteilt, nachdem sie durch die Hände des Herrn und durch sein Gebet gegangen sind. Das ist ein zweiter, wichtiger Aspekt: Das Wunder findet nicht in der Weise statt, dass Gott Brot und Fisch vom Himmel regnen lässt, wie das Manna in der Wüste. Auf diese Weise wird uns das Heil nicht geschenkt. Nicht als Überwältigung, die aus dem Nichts kommt. Nicht als gebratene Taube, die dem faul Daliegenden in den Mund fliegt. Das Reich Gottes ist kein Schlaraffenland. Gott schenkt uns das Heil, wenn wir seine Mitarbeiter werden. Wenn wir uns Mühe geben. Wenn wir mitmachen. Gott will unser Engagement, unseren Einsatz; er will das, was wir geben können – und sei es auch noch so wenig, sei es auch noch so armselig – um damit zu arbeiten. Als Christen sind wir berufen, täglich unseren kleinen Einsatz dem Herrn zu Verfügung zu stellen: Er wird etwas Großartiges daraus erschaffen. Und schließlich ereignet sich das eigentliche Wunder. Wenn Christus die Brote und Fische verteilt, dann werden alle satt. Letztlich ist es doch Gott, der handelt und das Entscheidende tut. Aus der Liebe Gottes, aus seiner Güte und Fürsorge, aus seinem geöffneten Herzen, aus dem Gebet des Herrn, das vollkommene Anbetung des Vaters ist, dürfen wir alle Gaben entgegennehmen. Mit ihm dürfen wir um alles bitten. Zugleich dürfen wir dieses Wunder auch als Hinweis auf das wahre Brot des Lebens verstehen, das uns täglich geschenkt wird in der Feier der Eucharistie: „Einer kommt, und tausend kommen, doch so viele ihn genommen, er bleibt immer, der er war.“ beten wir in der Fronleichnamssequenz. Letztlich ist es doch Gott, der zuerst an uns handelt, der uns zuerst beschenkt, der sich selber gibt. Und wenn wir dieses Geschenk Gottes empfangen, wenn wir ihn machen lassen, wenn er uns berühren und verwandeln darf, dann werden wir in die Lage versetzt, als seine Mitarbeiter zu wirken, unseren kleinen Beitrag zu geben und auch unser Herz dem Nächsten zu öffnen.

      Advent

        Das Wort Advent (lateinisch: advéntus) bedeutet Ankunft, Erscheinen. Die hl. Kirche bezeichnet mit dem Wort Advent die sichtbare Ankunft Christi auf Erden zum Zweck der Erlösung, insbesondere aber jene Zeit des Kirchenjahres, welche der Vorbereitung auf das Erscheinen Christi auf Erden geweiht ist. Schott.
        Römisches Meßbuch (1962)

        Noch lebe ich hier ganz im Advent, und vorab also müssen Sie, meine lieben Schüler und Schülerinnen, für mich um Kraft und Beharrlichkeit bitten. Denn ich bin ganz Opfer des Leidens, wie es der ewige Vater für mich bestimmt hat. Aber freilich, ich finde es manchmal besonders beglückend, daß meine eigene Adventszeit dieses Mal so schön mit der allgemeinen Adventszeit der Kirche zusammenfällt.
        Peter Wust, Abschiedsbrief an seine Studenten (1939)

        Advent, das bedeutet: Lebkuchen, Weihnachtsmärkte, Glühwein und Punsch, Adventsfeiern bei Kerzenschein und Tannendeko. Advent, jetzt wird es höchste Zeit, an die Weihnachtsgeschenke zu denken – Weihnachten kommt ja jedes Jahr so überraschend… – und shoppend die lichtergeschmückten Einkaufsmeilen zu durchmessen. Advent, das bedeutet: jede Menge Streß, Rummel und Lärm. Und da hebt sich so mancher pastorale Zeigefinger und mahnt von der Kanzel herab, dass doch in diesem Jahr für den guten Christen bitteschön nicht die Geschäftigkeit, sondern die Ruhe und Besinnung im Mittelpunkt stehen sollten. Ruhe, Besinnung, schöne Stunden im Kreis der Lieben. Das mag verlockend klingen, ist aber nicht der christliche Sinn des Advents. Die katholische Liturgie spricht im Evangelium des ersten Adventssonntags vom Weltuntergang, von kosmischen Katastrophen und lähmender Angst ganzer Völker. Vom Weltenrichter, der beim Schall der Posaunen vor dem einstürzenden Firmament und dem untergehenden Kosmos wiederkehren wird. Advent, die vier Wochen vor Weihnachten, mit denen das neue Kirchenjahr beginnt, ist zunächst einmal eine ursprüngliche Bußzeit, die nicht nur das Weihnachtsfest vorbereitet, sondern jenes erste Kommen Christi in der Fleischwerdung des göttlichen Logos mit dem Advent des Herrn am Ende der Zeiten verbindet. So stellt uns die Adventszeit zunächst einmal das Gericht vor Augen, das ja keine Drohung sein soll („Niemand kann entkommen!“), sondern vor allem eine Verheißung ist („Keiner wird vergessen!“), eine Verheißung freilich, die uns einlädt zur ernsthaften Gewissenserforschung, Umkehr und Reue und einer guten Beichte. Der große christliche Philosoph Peter Wust zeigt uns in seinem letzten Text, seinem Abschiedsbrief, verfasst auf dem Sterbelager, noch einen anderen Zugang zum Advent: Der Advent der Kirche kann und soll mein eigener Advent werden: wenn der Herr vor meiner Tür steht; wenn es gilt, das Kreuz zu tragen; wenn sich die Katastrophen am Horizont meines eigenen Lebens abspielen. Und wenn ich einmal in den Advent meines eigenen Lebens eintreten muss, darf ich mich auf die Worte des Herrn verlassen: „Wenn all das beginnt, dann richtet euch auf, und erhebt eure Häupter; denn eure Erlösung ist nahe.“ (Lk 21,28) Lassen wir uns den Weihnachtsmarkt, die Nikolausfeiern, den Glühwein und das liebevoll ausgesuchte Weihnachtsgeschenk nicht madig machen. Aber haben wir auch im Blick, worum es wirklich und eigentlich geht: Christus kommt. Er steht vor meiner Tür. Mein Leben ist ein Ernstfall, ohne Rücklauftaste und Wiederholungsmöglichkeit. Christus erscheint. Öffnen wir unser Leben, unser Herz für ihn, damit sein Advent für uns zur Stunde der Barmherzigkeit und der Freude wird, denn er ist Mensch geworden, damit wir, versehen mit dem Geschenk seines göttlichen Lebens, in Ewigkeit bei ihm glücklich sein können.